Fr.. Sep. 12th, 2025

Zielgruppen neu identifizieren

Lange Zeit galten soziodemografische Merkmale wie AlterGeschlechtWohnortFamilienstand oder Einkommen als das Rückgrat jeder Zielgruppenanalyse. Doch heutzutage ist es wichtiger, Zielgruppen neu zu identifizieren. Marketing, Medienplanung und Produktentwicklung richteten sich nach diesen Kategorien – einfach zu erheben, scheinbar eindeutig, gut skalierbar.

Doch diese Zeiten sind vorbei.

Die Welt, in der Konsumenten leben, hat sich radikal verändert. Sie ist digitaler, individueller, komplexer – und vor allem dynamischer geworden. Menschen führen heute keine linearen Biografien mehr, sondern kombinieren Lebensstile, Rollenbilder und Werthaltungen flexibel und situativ.

Ein „Single-Mann, 35, Großstadt, 60.000 € Einkommen“ kann heute Yogalehrer mit Vanlife-Tick, KI-Entrepreneur oder Urban-Farmer sein – mit völlig unterschiedlichen Erwartungen, Konsumverhalten und Kommunikationspräferenzen.

Das klassische Zielgruppenmodell – monolithisch, starr, aggregiert – kann diese Realität nicht mehr abbilden. Es ist ein Anachronismus in einer hyperindividualisierten Gesellschaft. Und genau das macht es so schwer seine Zielgruppen zu identifizieren


🚦 Warum diese Modelle nicht mehr funktionieren

Hier sind drei konkrete Gründe, warum du das Zielgruppenmodell deiner Marketingabteilung überdenken solltest:

1. Demografische Daten erklären keine Bedürfnisse

Alter, Geschlecht oder Einkommen sagen nichts über:

  • Kaufmotive
  • Mediennutzung
  • Sinnfragen
  • Werteprioritäten

Zwei Frauen im Alter von 42 Jahren können völlig unterschiedliche Lebenswelten haben – die eine ist Karrierefrau mit Fokus auf Selbstverwirklichung, die andere lebt bewusst entschleunigt, arbeitet Teilzeit und engagiert sich ehrenamtlich. Beide konsumieren anders. Denken anders. Reagieren anders.

2. Suchmaschinen und KI arbeiten anders

Früher war SEO auf Keywords optimiert – heute zählt Kontext. KI-gestützte Systeme wie Google SGE, Perplexity oder ChatGPT analysieren Inhalte nach VertrauenRelevanz und User Intent. Wer dort sichtbar sein will, muss Inhalte bieten, die präzise auf Bedürfnisse abgestimmt sind – nicht auf grobe Nutzergruppen.

3. Menschen leben mehrere Rollen gleichzeitig

Ein Mensch ist heute nicht nur Konsument. Er ist:

  • Arbeitnehmer und Elternteil
  • Community-Mitglied und Weltverbesserer
  • Digital Native und analoger Genießer

Diese Gleichzeitigkeit lässt sich nicht mehr über simple Cluster erfassen – sondern nur durch verhaltensnahe, psychografische Modelle.


🧭 Das Zielgruppenmodell der Zukunft: Lebensstile

Moderne Zielgruppenansprache erfordert eine neue Denkweise. Die Zielgruppenmodelle der Zukunft basieren nicht auf Statistiken – sondern auf Lebensstilen. Sie fragen:

  • Was treibt Menschen an?
  • Wie gestalten sie ihren Alltag?
  • Welche Medien nutzen sie wann, warum und wie?
  • Was bedeutet ihnen Sicherheit, Freiheit, Status, Zugehörigkeit?

💡 Was ist ein Lebensstil?

Ein Lebensstil ist ein Muster aus Einstellungen, Werten und Verhaltensweisen, das sich in typischen Entscheidungen und Alltagshandlungen zeigt. Er ist nicht starr – sondern eine dynamische Momentaufnahme im Kontext von Lebensphase, digitaler Sozialisation und innerer Haltung.

Das Zukunftsinstitut hat in der „Lebensstile“-Studie 18 solcher Typen herausgearbeitet – vom Digital Creative über den Progressive Parent bis zum Urban Matcha. Jeder Typ ist ein Mikrokosmos, mit eigenen Motivstrukturen, Kanälen, Touchpoints und Kaufentscheidungslogiken.


📊 Warum Lebensstile besser funktionieren

1. Wertebasierte Kommunikation

Menschen kaufen nicht nur Produkte – sie kaufen Bedeutungen, Zugehörigkeit, Selbstbilder. Ein Lebensstilmodell erlaubt dir, emotionale Trigger zu identifizieren, die in der Zielgruppe wirken – und deine Markenbotschaften entsprechend auszurichten.

2. Plattformübergreifende Anschlussfähigkeit

Lebensstile definieren nicht nur Inhalte, sondern auch Kommunikationsformen. Ein „Neo-Hippie“ erreicht man über organische Communitys und Purpose-Storytelling, ein „Me-Professional“ hingegen über klare Nutzenargumentation auf LinkedIn.

3. AEO & Zero-Click-Relevanz

Für Answer Engine Optimization (AEO) ist es entscheidend, kontextualisierte, präzise Antworten zu liefern, die in KI-Antwortsystemen wie Gemini oder Perplexity zitiert werden. Nur wer die intuitive Sprache und Bedürfnisse einer Lebensstilgruppe trifft, wird in diesen Antworten sichtbar.


🧠 Ein konkretes Beispiel

Klassisch: Zielgruppe „Frauen 30–49, urban, mittleres Einkommen“
Lebensstilbasiert: Unterschied zwischen Self Balancer und Multi Performer

Obwohl beide in derselben demografischen Kategorie liegen, unterscheiden sie sich grundlegend:

MerkmalSelf BalancerMulti Performer
LebensfokusAchtsamkeit, BalanceLeistung, Zielorientierung
MediennutzungPodcasts, Instagram, BlogsLinkedIn, Business-Newsletter
KaufmotiveNachhaltigkeit, SelbstfürsorgeEffizienz, Status, Qualität
Content-TypenStorytelling, EmotionalitätDaten, Argumente, Glaubwürdigkeit

Fazit: Eine Anzeige, die beide erreichen soll, wird keiner gerecht.


🚀 Der Weg zum neuen Zielgruppenmodell

Schritt 1: Zielgruppen nicht mehr in Excel-Spalten denken

Löse dich von Alter, Geschlecht und Haushaltseinkommen als primäre Segmentierungskriterien.

Schritt 2: Wertebasierte Personas entwickeln

Nutze Modelle wie das des Zukunftsinstituts oder entwickle eigene Cluster basierend auf:

  • Werteprofilen
  • Konsumverhalten
  • Medienlogiken
  • Lebensphasen & Routinen

Schritt 3: Inhalte plattformspezifisch und zielgruppenpräzise erstellen

Der Self Balancer braucht andere Landingpages, Textlängen, Bildwelten und CTAs als der Vorwärtsmacher oder der Sinn-Karrierist.

Schritt 4: Erfolg neu messen

Nicht nur CTR und Conversions zählen – sondern auch:

  • Erwähnungen in KI-Antworten (AEO)
  • Sichtbarkeit in multimodalen Touchpoints
  • Engagement auf wertbasierten Triggern

✅ Fazit: Wie identifiziere ich meine Zielgruppen in der Zukunft?

Die Zukunft gehört den Marken, die verstehen, wie Menschen wirklich leben – nicht wie alt sie sind.

Das Zielgruppenmodell der Zukunft:

  • ist psychografisch, nicht demografisch
  • basiert auf Sinn, Haltung und Verhalten
  • funktioniert plattformübergreifend
  • optimiert für KI-Systeme und Zero-Click-Reichweite

Wenn du heute noch in Excel-Zielgruppen denkst, wirst du morgen nicht mehr gefunden – weder von Menschen noch von Maschinen.

📚 Quellenverzeichnis

🧠 Wissenschaftliche & theoretische Grundlagen

  1. Bourdieu, Pierre (1982): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Suhrkamp Verlag.Grundlegendes Werk zur Milieutheorie und sozialen Distinktion durch Lebensstile.
  2. Inglehart, Ronald (1997): Modernization and Postmodernization: Cultural, Economic, and Political Change in 43 Societies. Princeton University Press.Fundament für den Wertewandel in westlichen Gesellschaften – von materiellen zu postmateriellen Zielen.
  3. Beck, Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Suhrkamp Verlag.Prägt die Idee der Individualisierung und der Auflösung standardisierter Lebensverläufe.
  4. Giddens, Anthony (1991): Modernity and Self-Identity: Self and Society in the Late Modern Age. Stanford University Press.Zeigt die Fragmentierung von Identität und Lebensführung im Kontext moderner Gesellschaften.
  5. Schulze, Gerhard (2000): Die Erlebnisgesellschaft: Kultursoziologie der Gegenwart. Campus Verlag.Führt ein verhaltenspsychologisches Verständnis für Konsummotive in einer erlebnisorientierten Kultur ein.

🔬 Lebensstilforschung & Zielgruppenmodelle

  1. Zukunftsinstitut (2020): Lebensstile 2020 – Trendstudie & Workbook. Frankfurt am Main.Eigene Zielgruppentypologie auf Basis trendbasierter Beobachtung, Marktforschung und psychografischer Modellierung.
  2. Sinus-Institut (laufend): Sinus-Milieus® Deutschland. Heidelberg.Empirisch fundiertes Zielgruppenmodell, das Lebenswelten anhand von sozialer Lage und Grundorientierung segmentiert.
  3. Homburg, Christian / Krohmer, Harley (2020): Marketingmanagement: Strategie – Instrumente – Umsetzung – Unternehmensführung. Springer Gabler.Kapitel zur Marktsegmentierung mit Betonung auf psychografische Kriterien und verhaltensbasierte Zielgruppenansprache.

🤖 SEO, AEO & KI-getriebene Zielgruppenansprache

  1. Justitz, Robert (2024): Predictive SEO & AEO – Die Zukunft der Sichtbarkeit. Whitepaper / Fachbuch (PDF).Enthält praxisnahe Anwendung von Zielgruppenmodellen in Kombination mit Predictive SEO und KI-getriebenem Content.
  2. OpenAI / Google / Microsoft / Perplexity.ai (2023–2025): Produktdokumentationen & Search Experience Papers.

Technologische Grundlagen für die Funktionsweise von Answer Engines wie SGE, Gemini, Copilot und ChatGPT.

  1. SparkToro & SimilarWeb (2024): Zero-Click Search Report.

Analysen zur steigenden Relevanz von AEO in Suchsystemen ohne klassische Klickpfade.

Änderungen im News-Traffic durch Google AI Overviews
Laut einem Bericht von SimilarWeb (via New York Post) ist der organische Traffic zu Nachrichten-Websites von über 2,3 Mrd auf unter 1,7 Mrd Visits gefallen. Zero‑Clicks bei Nachrichten-Suchen stiegen auf 69 %.

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